Donnerstag, 21. Juli 2022

Die Ziaglbehm

 

Favoriten ist die Heimat der Ziaglbehm. Im 19. Jahrhundert, als die Stadt wuchs, brauchte man Baumaterial. Ein gewisser Heinrich Drasche (aber auch andere kleinere Fabrikanten) produzierte dieses Baumaterial. Ziegel eben. Und um möglichst viel Gewinn zu machen, holte er sich aus der heutigen Tschechei (die Slowakei war ja ungarisches Kronland) billige Arbeiter. Unter heute unvorstellbaren Bedingungen lebten und arbeiteten diese Menschen, bekamen eigenes Geld bezahlt, mit dem sie nur in den eigenen Geschäften auf dem Gelände der Ziegelfabrik einkaufen konnten und waren überhaupt nur wenig wert. „Hackler“ kommt aus dieser Zeit, das waren jene Menschen, die den Lehm herausgehackt haben, ehe sie – nachdem die „Sandler“, meist Tagelöhner – die Formen mit Sand bestreut hatten (also gesandelt haben) – in den großen Brennereien zu Ziegeln gebrannt wurden. Heinrich Drasche wurde für „seine“ Ziegel geadelt und durfte den kaiserlichen Doppeladler zuwischen seinen Anfangsbuchstaben A und D in die Ziegel brennen. Die „Kaiserziegel“ entstanden, die von 1870 bis 1910 produziert wurden. Drasche selber errichtete sich den Heinrichshof und weitere Bauten, erwarb Ziegelwerke in der gesamten Monarchie, 15 Kohlebergwerke und war überhaupt einer der reichsten Unternehmer Wiens.

Der junge Viktor Adler, später Gründer der Ersten Republik, war der Erste, der die Zustände in Drasches Ziegelwerke anprangerte, erst danach änderten sich die Lebensbedingungen, Favoriten wuchs zum bis heute bevölkerungsstärksten Bezirk an.

Und diese „Ziaglbehm“ waren es auch, die in den 1890er Jahren mit dem Fussballspielen begannen, auf Gstetten oder Marktplätzen wie der Steinmetzwiese. Dutzende Spitzenfussballer der Nachkriegszeit erlernten dort das Spielen und bekamen die Chance, aus ihrem engen Umfeld zu entweichen. Zwei davon, Pepi Uridil von Rapid und der unvergessene Matthias Sindelar brachten es zu Kultstatus.

Viele Vereine entstanden in Favoriten. Der Bezirk wurde zur Kornkammer des Fussballs, wie es Friedrich Torberg nannte, obgleich die ältesten Fussballvereine Wiens aus dem bürgerlichen Milieu entsprangen. Die bekanntesten Vereine waren Rudolfshügel, die Hertha, Slovan (obgleich nicht in Favoriten gegründet), der FC Wien, der FAVAC und viele andere, die wir schon lange vergessen haben.

Heute verbindet man die Austria mit Favoriten und seiner Geschichte, obgleich die Wurzeln der Austria im bürgerlichen Milieu im Prater und Hietzing entstanden sind und sie diese Wurzeln bis heute nicht wirklich abgestreift hat. Aber sie ist halt ein Bundesligaverein, der 1973 den ehemaligen „Tschechischen Herz Platz“ der Slovan übernommen hat.

 

(3) Arbeiterproteste - Gegen eingemauertes Ziegel-Elend - Wiener Zeitung Online

DocPlayer (mitteninhernals.at)

Victor Adler und die Ziegelarbeiter › SPÖ Favoriten (spoe.wien)

Hintergrundtext (orf.at)

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